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Die Höllenfahrt meines Lebens
Hallo ihr Lieben, ich habe überlebt und zwar RICHTIG!!!
Eine meiner frühsten Kindheitserinnerungen ist es, das ich im Kindergarten sitze und wir eine Projektwoche zum Thema Regenwald veranstaltet haben. Zwar weiß ich nicht mehr genau was gesprochen wurde oder was ich genau getan habe, aber ich kann mich erinnern das alles total grün und tropisch gestaltet war. Es wurden exotische Tiere gebastelt und ein Film zum Leben im Urwald geschaut. Damals war ich schon so fasziniert von dieser grünen Hölle und die Begeisterung dafür ist nie gewichen. Mein erstes Referat in der 5ten Klasse habe ich freiwillig über den Regenwald gehalten, weil es mir Spaß gemacht hatte. In der Bücherei wurde jedes Sachbuch zum Thema Urwald und Amazonas ausgeliehen und zu Hause fleißig studiert. Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich als Kind so schockiert und betroffen von einem Artikel über einen Waldbrand im Dschungel gewesen bin, dass ich all mein Taschengeld gespendet hatte. Seit damals, möchte ich in den Amazonasregenwald und diese unbeschreibliche Artenvielfalt erleben. Möchte Teil sein, an diesem Wunder der Welt. Und jetzt ist es so weit, ich bin in Rurrenabaque und werde in den Madidi Nationalpark gehen, dem Artenreichstem Ökosystem der Welt.
Wie ihr vielleicht wisst, habe ich dafür von Dienstag auf Mittwoch einen Nachtbus nach Rurrenabaque ins Amazonastiefland von Bolivien genommen. Mir wurde schon vorher gesagt, dass die „Straßen“ in keinem guten Zustand sind und es keine geteerten Pisten sonder nur Erde und Geröll gibt. Nun gut, ich bin ja schon viel gewöhnt und habe schon mehrere, ziemlich verrückte Busfahrten in den unterschiedlichsten Ländern erlebt, also hab ich mir gedacht, ja ja, wird schon passen. Für umgerechnet 7 Euro habe ich mein Busticket gekauft. Der Bus ist allerdings nicht in Coroico abgefahren, sondern von einem anderen Dorf tiefer im Tal. Da es keine festgelegten Abfahrtszeiten für die Busse gibt, hat man mir gesagt, ich solle einfach so ab 13 Uhr an der Schranke des Mauthäuschens auf den Bus warten. Der würde dann schon irgendwann kommen. Nun gut, also bin ich runter nach Yolosita in ein anderes Kuhkaff gefahren und hab mich bei netten „Mautbeamten“ an die Schranke gesetzt und gewartet…..und gewartet ;-)! Ich habe letztendlich 4 Stunden an diesem kleinem Posten in mitten der tropischen Umgebung an einer NOCH geteerten Straße gewartet. Südamerika, Asien und das Reisen, sind meine besten Lehrer im erdulden von Situationen, im Gelassen sein und natürlich im WARTEN.
Als der Bus dann endlich angerattert kam, war ich mehr als entsetzt. Beide Hinterreifen haben gequalmt und mussten mit einem Wasserschlauch gekühlt werden. Als ich dann in das Innere des Gefährtes eingestiegen bin, schlug mir eine Wand aus übel riechendem Menschenschweiß gemischt mit undefinierten Nahrungsmitteln entgegen und hätte mich fast wieder nach hinten umgeworfen. Im Bus sahsen lauter stillenden Müttern und Kleinkindern. Neben den ganzen Menschen, hatten auch 20 Hühner und eine Ziege Platz in dieser Luxusausführung eines Reisebusses gefunden und ich habe mich irgendwo zwischen die Einheimischen gequetscht. Letztendlich find ich es immer gut, der einzige Ausländer zu sein und mit den lokalen Leuten ins Gespräch zu kommen. Allerdings war diese Gesellschaft etwas anstrengend. Nun gut, vom Körpergeruch mal abgesehen, waren es vor allem die Kleinkinder die mich nach einiger Zeit echt etwas genervt haben. Zuerst hab ich noch etwas rumgeflaxt und den stolzen Müttern zu wunderbar dicken Kindern gratuliert, aber irgendwann sind mir diese kleinen Plagegeister gewaltig auf den Sack gegangen. Ja ich weiß, Babys sind Babys und man kann ihnen das Schreien nicht verbieten, allerdings wenn die ganze Zeit ein anderes Kind schreit und hinter mir kleine Kinderfüßchen unaufhörlich in meinen Sitz treten und kleine Patschehändchen ständig, an meinen so lustigen Haaren rupfen, dann ist es irgendwann doch wirklich etwas anstrengend. Da kommt halt der empfindliche Europäer zum Vorschein, der seine Privatsphäre und Ruhe liebt.
Die Straße änderte sich schnell von einigermaßen gut geteert in eine furchtbare Matsch- und Morastpiste. An steilen hunderte Meter tiefen Abhängen, schlitterten LKWs und Reisebusse haarscharf aneinander vorbei und in manchen Momenten hatte ich wirklich TODESANGST als ich die tiefen Abgründe gar zu deutlich vor meinen eigenen Augen gesehen habe (ich sahs am Fenster)!!!! Das hört sich jetzt alles vielleicht lustig und abenteuerlich an und ihr denkt euch, „Mensch der Jens, Teufelskerl, der erlebt was“ RICHTIG, aber auf diesen Wahnsinnstrip hätte ich wirklich verzichten können. Auch wenn die umgebende Natur wunderschön und der Wald immer dichter und tropischer wurde, ich konnte mich beim besten Willen nicht wirklich entspannen. Ob es am Geschreie der Kinder, an den gewagten Manövern unseres Kamikatzefahrers oder an den Todeshängen gelegen haben mag, wahrscheinlich hat alles zusammen gespielt. Es war einfach nur grauenvoll. An Schlaf war sowieso nicht zu denken da das süße Kind hinter mir ständig an meinem Sitz rüttelte und einen monotonen Singsang von BABU BABU angestimmt hatte. Ich hätte heulen können.
Irgendwann nachts um 2 ist dann vor uns die Straße weggebrochen und hat sich in einer Schlammlawine in den Abgrund ergossen und der unglückliche LKW vor uns ist im Morast komplett stecken geblieben. Es ging NICHTS MEHR! So sind also alle Leute raus gerannt und haben wild diskutiert und nach einer Lösung gesucht. Ich dachte, dass ich nun endlich etwas Schlaf finden könnte, leider wurde das Innere des Busses dank des fehlenden Fahrtwindes unglaublich heiß und das Geschreie der Babys die auch noch in die Windeln gekackt hatten, trug sein übriges zur entspannten Atmosphäre bei. Ich war der Spielball meines eigenen Karmas und konnte nur hoffen die ganze Fahrt heil und unbeschadet zu überleben und die Ruhe in mir selbst zu finden. In manchen Augenblicken wünscht man sich jedoch nur, den Körper zu verlassen! In solchen Momenten ist man einfach nur im hier und jetzt, geplagt und gepeinigt von der Umwelt und denkt nicht an gestern oder morgen, ergibt sich einfach nur dem Schicksal und kann nichts anders tun als abzuwarten, zu überleben und zu hoffen man regt sich dann, aber auch unglaublich schnell über Kleinigkeiten auf und schaukelt sich von einem zum nächsten. Ich muss geduldiger und gelassener werden, ich glaub das ist die Lehre die ich aus der ganzen Sache ziehen kann, danke oh allmächtiges KARMA ;-)!
Das war die Busfahrt meines Lebens, das kann ich euch sagen. Vor allem muss ich sagen, rettet mich bei solchen Erlebnissen mein doch tiefsitzender Humor den ich auch mit mir selbst teilen kann und mein ewiger Optimismus. Musste so lachen als ich mir vorgestellt habe, wie ich im Fieberwahn von Malaria geplagt, bewaffnet mit einer Handvoll Paracetamol auf diesem Weg in einem Bus zurück aus dem Dschungel in ein „tolles“ Krankenhaus nach La Paz gefahren werde. Nur Durchfall fehlt noch. Aber keine Angst, Rurrenabaque und der Madidi Park, sind Malaria- und Denguefrei, na is das nicht was?
Plötzlich ist neben meinem Fenster ein übermütiger LKW-Fahrer mit seiner Maschine vorbeigesaust und in den Abhang gekippt. Glücklicherweise ist er nicht abgestürzt sondern hatte sich einige Meter unterhalb zwischen Bäumen verkeilt. Na wunderbar, das auch noch.
Nach endlosem Warten ging die Fahrt dann weiter, doch diesmal waren wir es die sich im Schlamm festgefahren hatten. Also alle Passagiere raus und der Bus mit Schwung über den Matschberg hinüber. Wir sind alle schon weiter gelaufen um an einer günstigeren Stelle wieder einzusteigen (ach ja nur so am Rande, ich hatte meine Schuhe bereits während der Fahrt ausgezogen weil meine Füße kochten, ich bin also Barfuß in der tropischen Nacht über Dreckberge geklettert), da schrien die Leute hinter mir plötzlich „Corre Corre“ (Renn Renn) denn der Bus hatte so fest Schwung genommen, das er nun nahe daran war uns auf der engen Schlammstraße zu überrollen. Irgendwann sind dann alle wieder eingestiegen (das dauert bei Bolivianern schrecklich lange) und ein verheißungsvolles „VAMOS“ wurde durch den Bus gerufen (bedeutet so viel wie, „auf geht’s“ „Wir gehen“). Mit vamos wars dann aber nix, weil wir dann irgendwelche Probleme mit der Motorklappe hatten und eine weitere Stunde in der dampfenden Nacht gestanden haben. Irgendwann ging die Fahrt dann mit offener Motorklappe weiter. Nun fingen die Hühner an zu Gackern und die Ziege fing an zu meckern. Kein Wunder die armen Dinger, bei der Hitze und ohne Wasser.
Die Piste wurde nicht besser eher schlimmer und riskanter. Aber irgendwann bin ich beim furchtbaren Geholper und dem Gestank des Busses in den Schlaf geschaukelt worden. Allerdings, wirklich sehr spät, bzw. früh am Morgen. Vielleicht lag es am narkotisch wirkendem Schweißgeruch der Füße meines Hintermanns, vielleicht an der totalen Erschöpfung hervor gerufen von Stunden der Angst und der Panik, aber ich konnte tatsächlich ein klein Wenig schlafen.
Während der ganze Fahrt sind immer wieder Leute aus und zu gestiegen. Es war ein fröhliches Kommen und Gehen und mit geschätzten 20 Stundenkilometern, kämpfte sich der Bus wütend Stöhnend und Quitschend unter Auswurf, giftiger schwarzer Dampfwolken durch den Morast.
Trotzdem als die Sonne über dem Regenwald aufgegangen ist, war dies einfach ein unglaublicher Ausblick, ich war angekommen, im Amazonasregenwald, tief im Dschungel. Obwohl mir die Fahrt alles andere als gefallen hatte, kann ich mir hier gerade meine Kindheitsträume erfüllen. Was für eine kluge Idee von mir, nach der Ausbildung nicht zu arbeiten, sondern die Welt zu sehen und das zu tun, was mich interessiert und für was ich mich begeistern kann. Neben den unterschiedlichsten Pflanzen und riesigen bunten Schmetterlingen, konnte ich sogar einen Kaiman neben der „Straße“ im Wassergraben entdecken und konnte Kapuzineräffchen (der Untote Affe aus „Fluch der Karibik“) beim Spielen in den Bäumen beobachten. Diese Aussichten waren einfach nur FANTASTISCH.
Unser Bus hatte ca. 10 Stunden Verspätung und ich sahs alles in allem 24 Stunden in diesem Höllengefährt, zusammen mit den 4 Stunden warten, war ich also 28 Stunden nur mit meinem Trip nach Rurrenabaque beschäftigt. Zum Glück hatte ich genügend Wasser dabei, welches ich spendablerweise auch noch an die Kleinkinder verteilt habe, weil die Eltern zu wenige Flüssigkeiten mit dabei hatten (klingt das jetzt sehr selbstgefällig? Der rettende Prinz hilft den durstigen Kindern? Nein nein, so ist das jetzt nicht gemeint!)
Als wir dann endlich angeholpert kamen, war ich mir definitiv sicher, DAS MACH ICH NICHT MEHR. Das muss ich einfach nicht mehr haben und nachdem ich ein super gemütliches Guesthouse mit Hängematten gefunden hatte, habe ich mir gleich für nächsten Dienstag für 60 Euro ein Flugticket zurück nach La Paz gekauft. Das Flugzeug ist zwar eine Propellermaschine der „Amazonasairlines“ und man hat mir gesagt, dass nur 19 Passagiere mitfliegen könnten. Nun ja gut, Hauptsache kein kaputter Bus auf Matschpisten mehr. Aber ob mir mit „Amazonasairlines“ da noch ein neues Abenteuer bevor steht ;-)? Wer weiß, wer weiß, es bleibt spannend!!!!
Im Übrigen komme ich gerade von meiner 3 tägigen Regenwaldtour zurück und bin vollkommen begeistert. Könnte schreien vor Euphorie! Den Eintrag dafür plus Bilder schreib ich die nächsten Tage. Ihr könnt euch auf nen MEGA Blogeintrag gefasst machen!
Liebste Grüße
Jens