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Cuy chactado con ensalada de fideos de Alemania
Liebe Tierfreunde, liebe Tante Inge, ihr werdet beim Lesen dieses Beitrags keinen Spaß haben. Es geht nämlich vor allem um Meerschweinchen und darum wie diese zubereitet und gegessen werden. Müsst aber selbst entscheiden ob ihr euch mein literarisches Meisterwerk nun antut oder nicht und vor allem ob ihr stark genug für die folgenden Fotos seit. Das kann ich nicht für euch entscheiden ;-)!
Schon seit langem war geplant, doch durch Magen-Darminfekte verhindert, dass ich zusammen mit Solidad ihrer Mutter und Rosa, Meerschweinchen auf dem Markt kaufe und diese dann im Haus von Solidads Mutter unter Anleitung zubereiten sollte. Nun war es diesen Freitag also so weit und wir sind auf den lokalen Tiermarkt gefahren um unsere Cuys zu besorgen. Der Tiermarkt besteht aus einer gewaltigen Halle, vollgestopft mit Käfigen und Paletten und überall kräht und bellt es. Dann läuft mal hier ein Huhn herum und dort ein Truthahn, ein kunterbuntes Treiben bei dem westliche Tierschützer die Hände über den Kopf zusammen schlagen würden. Mir haben die Tierchen um ehrlich zu sagen, schon entsetzlich leid getan. Vor allem angesichts der vielen Welpen in kleinen Drahtkäfigen ist mir das Herz zerflossen und auch die Kisten, vollgestopft mit Küken für 10 Cent das Stück, haben mich jetzt nicht zu Begeisterungssprüngen angeregt. Nun ja, ist Peru, anderes Land, muss man durch, muss man gesehen haben. Ich glaube es ist wichtig sich mich ganz vielen Eindrücken zu konfrontieren und so den eigenen Weg zu finden.
Zunächst sind wir von Marktstand zu Markstand getingelt und haben uns kleine, große, dicke und dünne Meerschweinchen angesehen. Dabei wurde mir erklärt, dass die schwarzen Schweinchen niemals gegessen werden, sondern nur zur Heilung dienen. Dabei wird das Tier genommen und in kreuzförmigen Bewegungen über den Körper des Kranken gerieben, anschließend lässt man es frei oder opfert es PachaMama. Also durfte es kein schwarzes sein, aber bei den Kuddelmuddel bei dem alle Farben vertreten waren, war es nicht schwer, einen passenden Braten zu finden.
So fand ich also mein Cuy und kam mir ein bisschen wie ein Henker vor als ich mit meinem Finger auf dieses weiße Fellknäul mit der schwarzen Stupsnase gezeigt habe. Schnell wurden die Schweinchen ergriffen und in einen Sack gepackt und schon ging es weiter auf den Gemüsemarkt um Kartoffeln und die Beilagen zu besorgen. Die anfänglich quiekenden Nager, haben dabei schon bald Ruhe gegeben und so ging der weitere Einkauf für mich etwas unbeschwerter mit leichterem Herzen weiter.
Unter anderem haben wir auch eine besondere Art Kartoffel gekauft die ich so bisher noch nie gesehen habe. Sie nennt sich Chunjo und ist komplett weiß, die Schale fast mehlig. Ein bisschen so, als hätte man eine Kartoffel mit Puderzucker überstäubt. Anschließend wurde noch Rocoto gekauft, ein nur hier heimisches Paprikagewächs. Etwas kleiner als die heimische Paprika und recht pikant, außerordentlich lecker!
Die ganzen „Zutaten“ wurden dann Solidads Mutter übergeben (es tut mir leid, ich kann mich ums verrecken nicht an ihren Namen erinnern).
Mir wurde erklärt, das die lieben Tierchen den Tag vor der Schlachtung noch ausreichend gefüttert werden sollen, denn nur mit einem „zufriedenem“ Herzchen würde das Fleisch auch köstlich schmecken. Nun gut, mag sein, ich fand die Vorstellung irgendwie recht makaber. Henkersmahlzeit sag ich dazu nur.
Heute (Samstag) ging es dann los, nachdem sich die Peruaner mal wieder über eine Stunde verspätet hatten, klingelte es an der Tür. Mittlerweile bin ich ja nun wirklich schon unglaublich entspannt und gelassen und weiß meine Wartezeit voll auszuschöpfen. Den Tag zuvor hatte ich dann noch Ensaladas de Fideos de Alemania zubereitet, denn auch ich wollte etwas zu unserem Dinner beitragen und so hüpften Rosa, Belen (ihre Tochter) und ich in das nächste Taxi um in die Barrios, die Pueblos nuevos oder einfach in die Slums zu fahren, in dem die Familie wohnt. Ein bisschen aufgeregt war ich, nach überstandenem Fieber, Würmern und sonstigen Unannehmlichkeiten, heute in einer Wellblechhüttensiedlung zu speisen, aber nun gut, man ist jung, regenerationsfähig und außerdem SO NEUGIERIG. Ich fand den ganzen Tag einfach unglaublich authentisch, dafür lohnt sich ne Darmkolik. Kein Tourischeiß, nein, echtes peruanisches LEBEN!
An der „Türe“ von Solidads Mutter (die beiden leben getrennt, lange, typische Ghettogeschichte) wurden wir dann schon wild küssend begrüßt und in einem mehr oder weniger gutem Haus für diese Gegend durfte ich dann Platz auf einem staubigen Sofa, vor einem rauschendem Tv-Gerät nehmen und wurde gleich eifrig mit scheußlicher Inka-Cola bewirtet. 3 der 4 Schweinchen wurden schon am Morgen um die Ecke gebracht, nur meines hockte noch goldig in einem Weidekörbchen, nichts ahnend was nun geschehen mochte. Da ich ja ein begieriger Lerner bin und auch wirklich alles sehen muss, wollte ich einfach einmal miterleben wie man diesem kleinen Tierchen das Fell über die Ohren zieht. Ohne Wenn und Aber wurde dieses sogleich gepackt und mit einem scheußlichen Schrei wurde ihm der halbe Kopf mit einem Messer abgetrennt. Kurze Zeit dachte ich, ich müsste mich übergeben, aber nach überwundener Übelkeit und dem Blick in die Ferne, ist diese auch schnell verzogen und es wurde dann alles in allem doch eher interessant.
Wer von euch zu Hause auch einmal ein Meerscheinchen verspeisen möchte, na der muss erst mal in die Zoohandlung gehen und sich ein Dickes heraussuchen ;-)! Wenn es dann tot ist, wird es kurz in heißes (nicht siedendes, um GOTTES WILLEN, bloß nicht siedendes, das ist nämlich das Geheimnis wie mir ganz aufgeregt mittgeteilt wurde) und anschließend in kaltes Wasser getaucht. Danach verliert es das Haar fast von selbst. Aus der schwarzen Stupsnase wurde nun also eine scheußliche, nackte Fresse und alles in allem, sieht ein nacktes Meerscheinchen mit durchgeschnittener Kehle wirklich nicht sehr schön aus.
Anschließend wurde das Tier ausgenommen, ich denk das ist ähnlich wie bei nem Huhn oder Fisch, darauf geh ich nicht genau ein AUßER!!!! Die Gallenblase wird aus gesundheitlichen Gründen und zum Schutz vor Unglück im Ganzen verschluckt. Auf diesen ekligen Spaß habe ich dankend verzichtet. Kann mir gerade fast nichts Widerlicheres vorstellen. Danach wird alles schön mit Wasser ausgespült, in einem Slum natürlich mit Wasser aus einem dreckigen Kanister, das gehört sich so wegen des Geschmacks.
Zu guter Letzt wird das Tier mit Limettensaft und Salz eingerieben und für ca. 20 Minuten auf eine Wäscheleine zum abtropfen gehängt!
Um das Tier dann knusprig und kross zu bekommen, legt man es, mit einem Stein beschwert in ungefähr einen Liter Öl und frittiert das Ganze. In Peru wird eh alles frittiert oder in Fett ertränkt, darum war mir diese Prozedur nicht neu. Das Geheimnis beim Frittieren eines Meerscheins besteht aber darin, so hat man mir erklärt, den richtigen Stein zu finden. Damit auch alles schön kross wird und das Schwein später die Form einer Flunder annimmt. Das wäre nämlich sehr wichtig.
Nachdem dann alles fertig war, durfte ich wieder auf dem staubigen Sofa vor dem immer noch blährenden Fernseher Platz nehmen und mein Cuy chactado wurde mir freudestrahlend mit Käseüberbackenen Kartoffeln, einer mit Hackfleisch und Oliven gefüllten Rocotoschote und der besagten Chunjoknolle serviert. Meinen Salat hatte ich in einer extra Schüssel angerichtet und so konnte der Gaumenschmauß also los gehen.
Geschmacklich war ich vollkommen begeistert vom gefüllten Rocoto, wirklich sehr sehr lecker. Mein Schweinchen jedoch war glaube ich schon etwas alt und kaute sich daher eher wie Schuhsohle. Auch hatte ich das Gefühl als hätten nicht alle Teilchen des Tierchens ein perfektes Bad im heißen Fett genommen und so fand ich einige dubiose Stellen undefinierbaren Gewebes. Zeitweise hat es mich leicht gehoben. Jedoch immer mit einem Lächeln und einem Lob für die Köchin auf den Lippen.
Hab mich also durch das Mahl hindurch gewühlt und auch einige wirklich leckere Bissen erwischt. Alles in allem jedoch, im Restaurant wars besser. Auch hat mich mein Gewissen dann doch echt geplagt, man darf nicht über alles nachdenken, aber man mags nicht glauben, nach 8 Jahren als Vegetarier, ist es nicht gerade der schönste Anblick wie einem Meerschwein die Kehle durchgeschnitten wird!
Dennoch, der Tag war sehr harmonisch und wirklich sehr sehr peruanisch. Es ist mir wichtig authentische Erfahrungen zu machen und wenn ich dafür ein zähes, halbgares Meerschwein in einer Wellblechütte esse, dann ist es das wert.
Besonders hat mir auch gefallen, dass wir die ersten beiden Schlücke unserer widerlichen Inka-Cola auf den Boden vergossen haben um so PachaMama und PachaTata zu ehren. Es sind die Gebräuche, die Menschen, das Alte, das Echte was mich begeistert und mir zeigt das ich in Südamerika bin und mein Leben voll Abenteuer lebe. Ich bin kein Tourist, nein ich bin ein Gringo der erfährt, der das Land lebt und Einblicke gewinnt, welche einer Reisegruppe verschlossen bleiben. Es ist wundervoll. Selbstgefällig muss ich ja leider sagen, ich bin so froh das zu machen was ich mache, wenn ich mir diese ultra langweiligen Partybilder einiger "Freunde" auf facebook anschauen, deren Welt sich nur um Arbeit und das wöchtentliche Besäufnis und das "Fotografieren Werden" im Airport oder Studio dreht. Da bin ich froh einen chaotischen Geist zu haben, verrückt zu sein und zu leben.
Om Mani Padme Hungh liebes Meerschwein möge Buddha mit dir sein. Sobald ich zurück in Deutschland bin, werde ich kein Fleisch mehr essen, das verspreche ich dir.
Liebste Grüße nach Deutschland
Euer Jens
Menü:
Cuy chactado (im Ganzem frittiertes Meerschwein)
Gefüllter Rocoto (wie schon erwähnt, pikante Paprika die es in Deutschland sowieso nicht gibt)
Papa con queso (Kartoffeln überbacken mit Käse)
Chunjo con queso (Puderzuckerkartoffel mit Käse)
Ensalada de Fideos de Alemania (deutscher Nudelsalat :-D)
4 Kommentare
Also ich würde Meerschweinchen auch einmal probieren. :)
Hallo Jens,
hier ist Oma Inge, bin bei Mama zum Essen und mit Oma Hedwig. Wenn du wieder daheim bist, machen wir auch mal ein Meerschweinchen und holen es vom Dehner, kannst dir eins raussuchen. :-) Mahlzeit!
Viele Grüße
Oma Inge
Ach Jens, damit ist meine Lust auf Fleisch völlig verschwunden…*würg*