Fast vier Tage Waldkloster und ich bin wieder in der Realitaet angekommen.
Meine Zeit im Kloster war das haerteste, furchtbarste und beste Experiment das ich fuer mich machen konnte.
Ich hab unglaublich viel mitgenommen, auch wenns nur ein paar Tage waren, hab sehr viel ueber mich selbst erfahren und ausserdem unglaublich viel gelitten, aber dazu spaeter mehr!
Das Kloster befindet sich etwas ausserhalb von Chiang Mai in einem kleinen Wald. Wenn man sich dazu entschliesst dort ein paar Tage bleiben zu wollen gibt es gewisse Regeln die man beachten muss, auch ist man streng an einen Stundenplan gebunden der wirklich knueppelhart ist.
Folgende Regeln gilt es zu beachten>
1. Nicht toeten
2. Nicht luegen
3. Nicht stehlen
4. keinen Sex (schade denn ich hatte eigentlich vor mit den Nonnen eine kleine Playboy-Party zu feiern)
5. keine Drogen (schade denn diese haette ich fuer meine Party und meine Bunnis sicherlich gut gebrauchen koennen)
6. keine Nahrung nach 12 Uhr Mittags
7. keine Singen, Tanzen, Dinge die Spass machen, Duefte usw.
8. kein Schlafen auf gemuetlichen Betten
Der Stundenplan beinhaltete 12 Stunden Meditation. 4 Uhr morgens ging es los mit einer halben Stunde Gehmeditation. Abwechselnd ueber den Tag verteilt meditiert man im Gehen und Sitzen. Es darf nicht gesprochen werden, nur einmal am Tag mit dem Moench der einem zugeteilt wurde oder dem Abt.
Es gab einige Laien im Kloster darunter nur mich und eine Frau die aus dem Westen kommen, der Rest war asiatisch, vor allem kamen die Leute aus Burma (der Abt stammt aus Myanmar).
Es gibt dort einige Nonnen und nur zwei Moenche, darunter der Abt und der Deutsche Moench.
Meine Erfahrungen:
Wie schon beschrieben empfand ich den Aufenthalt im Kloster als furchtbar. Ich war oft nahe daran aufzugeben und war im Leben noch nicht mit solch einer Situation konfrontiert. Am schlimmsten Empfand ich das nicht Reden duerfen. Wenn man staendig mit sich selbst konfrontiert wird, wuehlt das Einiges auf. Es gibt keinen Austausch und irgendwann fuehlt man sich leer und voellig ausgesaugt. Diese Tatsache hat mir besonders zu schaffen gemacht.
Das Andere was mich unglaublich fertig gemacht hat, bestand in der Tatsache alle Dinge bewusst und langsam tun zu muessen. Es war furchtbar. Ueberall hies es Mindfull, also ganz konzentriert und bewusst, jeden Schritt jeden Bissen selbst das Po-Wischen, alles bewusst und langsam. Ich kann euch gar nicht sagen wie schwer mir das viel wie sich meine Gedanken und mein Koerper innerlich aufgestaut haben und wie ich am liebsten Explodiert waere. Hab ich als sehr unangenehm und aussaugend empfunden.
Die dritte Sache die mich fast gequaelt hat, war das Sitzen. Unbeschreiblich welche Folter das ist 12 Stunden am Tag zu meditieren und davon 6 Stunden zu sitzen. Eine fast unmoegliche Aufgabe. Beim Meditieren konzentriert man sich entweder auf das Laufen, Schritt fuer Schritt oder beim Sitzen auf das Heben und Senken des Bauches. Sonst auf Nichts. Mein Geist ist dabei explodiert, hatte noch nie so viele Gedanken und meine Beine haben gebrannt wie Feuer. Ich bin innerlich so unruhig geworden, aber man hat mir versichert, dass das normal ist. Ich gebe jedem von euch einfach mal den Tip, setzt euch einfach mal 20-30 Minuten bewegungslos hin und konzentriert euch auf das Heben und Senken eures Bauches. Wenn ihr das gemacht habt und das durchgehalten habt, koennt ihr zu einem Bruchteil verstehen wie ich mich gefuehlt habe.
Alles in Allem habe ich mich zeitweise Gefuehlt wie in einem Gefaengnis in dem die Zeit still steht. Ein grauenhaftes Gefuehl. Aber ich war nicht zum Spass dort und der Aufenthalt hat fuer mich ja auch etwas gebracht und mein Denken und Fuehlen wirklich veraendert.
Es war die beste Erfahrung meines Lebens und ich wuesste nicht an welchem andrem Ort ich haette so schnell reifen koennen. Nachdem ich wirklich unglaublich ausgelaugt und voellig ausgezerrt war, habe ich mich in den Wald gesetzt und habe meine Gedanken einfach laufen lassen. In meinem Leben war ich bisher immer von dem Drang getrieben eine universelle Wahrheit zu finden. Meinen spirituellen Weg zu finden und gluecklich zu werden. Als ich so im Wald sahs ist mir dann richtig bewusst geworden das ich eigentlich gar nicht suchen brauche sondern das ich ein vollkommen gluecklicher Mensch bin. Ja es stimmt, ich kanns nicht anders beschreiben, ich bin mit mir, mit dem was ich tue und mit meiner ganzen Umwelt vollkommen gluecklich. Natuerlich aerger ich mich und mich beschaeftigen Dinge, aber ich hafte weder zu stark an materiellen Dingen noch bin ich ein Mensch der negativ denkt. Ich bin gluecklich und diese Tatsache war der erste Broken der von mir abgefallen ist. Das ich das einsehen konnte war wie eine kleine neue Geburt.
Ausserdem hat mir der Aufenthalt geholfen aus meinem kleinen Zuckerwattehaeuschen herauszukommen und die Welt realistisch zu sehen. Laos ist weder ein unberuehrtes Paradies, noch sind buddhistische Moenche glueckliche Menschen die von allem befreit sind. Das stimmt nicht und ich brauch mir da gar nichts vor zu machen.
Ich hatte einige Gespraeche mit dem deutschen Moench in denen mir manchmal vorgekommen ist, als haette er sich der Welt entzogen weil er mit ihr nicht zurecht kommt. Auch muss ich sagen, empfand ich ihn nicht als gluecklich genauso wie ich die andren Laien und Nonnen nicht als gluecklich und zufrieden beschreiben wuerde. Alle sehr verbissen, ernst und meiner Meinung nach ohne Freude. Keiner der Lacht keiner der die kleinen Dinge schaetzen kann. Nur aufs Gehen konzentriert, gefangen in einer eigenen Welt, fern ab von der Realitaet die sich gerade neben einem Abspielt. Vielleicht eine Art Schutz vielleicht ein verzweifelter Versuch in dieser verrueckten Welt nicht vollkommen den Verstand zu verlieren.
Irgendwann hab ich es dann aufgegeben staendig zu versuchen zu meditieren und bin einfach in den Tag hineingetrieben. Dabei sind mir so viele Kleinigkeiten aufgefallen die mich gefreut haben und die ich zu schaetzen weiss. Kleinigkeiten die mir nicht aufgefallen waeren, die mich nie beruehrt haetten, haette ich mich nur auf meinen Atem konzentriert. Da war beispielsweise eine kleine Scheue Katze die sich nach langem zoegern zu mir gesetzt hatte, sich streicheln lies und irgedwann vollkommen die Hemmung verloren hat und mit mir geschmust hat. Da war ein kleiner Kaefer der beschaeftigt eine Kugel aus Kacke durch den Wald bewegt hat und da waren die Sonnenstrahlen die durch die Kronen der Baumriesen auf dem Boden des Waldes getanzt haben. Kleinigkeiten die ohne grosse Bedeutung scheinen, Kleinigkeiten die mich aber beruehrt haben und die mich gluecklich machen. Und es tat mir leid, fuer all die anderen die das nicht in der Art und Weise schaetzen konnten wie ich selbst. Die mit ernster Mine in Zombiebewegungen Schritt fuer Schritt ihre Bahnen gezogen haben. Auf der Suche nach einer Wahrheit, nach Etwas, das Groesser ist als sie, was sie gluecklich machen soll. Und ich sahs im Wald, im Dreck und war zufriede.
Ich fand die Grundambition warum die Leute dort waren und was sie vorgegeben haben zu wollen auch irgendwie ein bisschen Zwispaeltig. Ein Beispiel hierfuer. Jeden Tag wurde eine Puja veranstaltet, dass ist eine Zeremonie. Bei ihr werden Gebete und Wuensche gesprochen. Jeden Tag sitzen diese Leute auf ihren Knien mit gefalteten Haenden und geschlossenen Augen und beten fuer die Erloesung und fuer das Glueck aller leidenden Wesen. 10 Minuten spaeter sitzen diese Menschen die eben noch diesen Wunsch unglaublich fest geaeussert haben im Speisesaal und essen ihre taegliche Huehnersuppe. Wie passt das zusammen? Versteht mich nicht falsch, ich hab absolut nichts gegen Fleischesser und kann die Vegetarier selbst nicht leiden die versuchen Leuten die Fleisch essen ihr Fleisch schlecht zu reden. Es muss jeder selbst wissen was er tut und wie er es tut. Aber wie kann ich denn da sitzen, mich zurueck ziehen und fuer die Erloesung jedes Tieres bitten und gegen das Leiden sein und dann hinterher Fleisch essen obwohl ich doch dabei davon ausgehen muss das dieses Tier getoetet wurde und ihm dadurch Schaden zugefuegt wurde? Kann ich nicht nachvollziehen.
Als ich mich mit dem Moench unterhalten habe, habe ich ihm die Frage gestellt, ob er gluecklicher und zufriedener ist, als er es war als er ganz normal in Deutschland gelebt hatte. Da hat er lange nachgedacht und hat geantwortet, dass er hier einfach einfacher Leben kann, von keinen Wuenschen und von Greifen besessen ist und sich nicht taeglich mit den negativen Seiten des Lebens konfrontieren muss. Es hat ihn immer geaergert und traurig gemacht wenn er schlimme Dinge in der Zeitung gelesen hat oder in den Nachrichten sehen musste hier waere er weg von all dem und nur auf sich selbst konzentriert.
Mein Gedanke dazu ist aber etwas anders. Ich glaube, fuer mich ist es nicht richtig, mich vom Leiden der Welt zu distanzieren und mich nur auf mich zu konzentrieren und auf Erleuchtung zu hoffen. Steckt in der Aussage von Jesus vielleicht mehr Wahrheit als ich jemals angenommen habe? Meiner Meinung nach ist der Dienst am Naechsten wichtiger als der Dienst an sich selbst und auch wenn man sich manchmal ohnmaechtig fuehlt am schier endlosen Leiden der Welt und ihrer Wesen, wenn man sich jeden Tag mit neuen Bombenanschlaegen und Kindervergewaltigungen im Fernsehn konfrontiert sieht. Ist es da nicht ein Akt wirklicher Groesse sich dafuer zu oeffnen. Das Leid der anderen zu teilen anstatt sich zu verschliessen? Wir sehen so viele Schlimme Dinge und man ist taeglich mit dem Leiden anderer konfrontiert. Aber meiner Meinung nach ist Nichts schlimmer als Ignoranz und Gleichgueltigkeit gegenueber der Bilder und den Schicksalen anderer die wir taeglich sehen. Vielleicht ist es ein Akt von wahrer Groesse sich dafuer zu oeffnen, eben nicht weg zu sehen sondern mitzufuehlen. Wir koennen die Welt nicht retten aber wir koennen Anteilnahme an ihr zeigen und dadurch wachsen. Fuer mich waere es der falsche weg mich in ein Kloster zurueck zu ziehen fernab von allen Informationen. Ich moechte meine Welt aktiv veraendern und aktiv am Leiden anderer teilnehmen um so vielleicht die Wirklichkeit und die Wahrheit zu finden.
Die taegliche spirituelle Praxis besteht im Umgang mit unseren Mitmenschen, Mitlebewesen und unserer Umwelt selbst und nicht im stundenlagen Sitzen und der Beobachtung des Atems.
Versteht mich nicht falsch, ich halte nach wie vor viel von Meditation aber ich denke nicht das sie uns wirklich vom Leiden und uns selbst befreien kann. Meditation ist fuer mich ein Werkzeug welches mir hilft ein besseres Verstaendniss von mir selbst und meinen Gefuehlen zu bekommen und sich selbst zu reflektieren, aber nicht ein Weg um Erleuchtung zu finden und Buddha zu werden. Weiss naemlich gar nicht ob ich das alles so glauben kann, obwohl es sich natuerlich unglaublich fantastisch und verfuehrerisch anhoert!
Ich glaube man kann nur gluecklich sein in dem man mit sich selbst zufrieden ist und um das herauszubekommen, dazu kann Meditation hilfreich sein.
Wirkliches Glueck kommt aber glaube ich vom Herzen indem man sich vielleicht ein Stueck aufgibt, sein Ego ueberwindet und sein Tun und Handeln nach dem Prinziep der Liebe und des Helfens ausrichtet. Ein unglaublich schlauer Satz denn ich dazu gehoert habe lautet "die wichtigste Person im Leben, ist die Person die mir gerade gegenueber steht". Wenn man das nur ein bisschen beherzigt, muss man gar nicht nach Afrika und Waisenkinder fuettern, denn wenn man versucht das zu leben, ist es genauso sinnvoll einfach mehr zu laecheln oder mal zuhoeren und sich fuer die Sorgen und Noete anderer in der direkten Umgebung mehr zu oeffnen und eben nicht immmer nur sein eigenes Ding durchzuziehen.
Mein Rueckschluss aus diesem Klosteraufenthalt selbst ist, dass ich genau richtig stehe im Leben, dass ich genau das mache und tue was ich machen moechte, anderen helfen. Das ich mich bewusst mit dem Leiden, mit Krankheit und Sterben anderer konfrontieren moechte um daran zu wachsen und das ich dieses Bewusstsein in meiner stressigen Arbeit mehr mit einflechten moechte.
Als ich dann heute morgen gehen wollte, hat mich der Abt noch einmal zu sich gerufen um mit mir zu sprechen, ueber meine Erfahrungen und Empfindungen und dabei hat er mir erzaehlt, dass der deutsche Moench (entschuldigt ich hab den Namen vergessen) erst seit 2 JAhren meditiert nachdem seine Frau gestorben ist. Und da wurde mir auf einmal so viel bewusst und es tat mir unglaublich leid. Da wurde ich schmerzlich daran erinnert, dass wir alle irgendwann auf die ein oder andere Weise vom Leben gezeichnet werden und wir alle irgendwann einmal in einer furchtbaren fuer uns eventuell aussichtslosen Situation befinden. Und ploetzlich ist mir bewusst geworden wieviel Schmerz und Leid ich in meiner letzten Zeit gesehen habe ohne das es mir wirklich aufgefallen waere oder ich Notiz davon genommen haette. Ich habe jetzt schon einige Todkranke, Sterbende und tote Menschen gesehen ohne mich wirklich mit der Situation zu konfrontieren. Habe das alles parallel ablaufen lassen und als ich da vor dem Abt sahs, da wurde mir die Tragweite dieser Dinge erst voellig bewusst und dann ist der zweite Stein von mir abgefallen und ich konnte damit Frieden schliessen und das alles fuer mich ueberdenken und besser einordnen. Ist sicherlich nicht einfach aber fuer mich unglaublich wichtig und da habe ich mir gedacht. Wenn jeder von uns irgendwann einmal mit schrecklichen Dingen und Problemen konfrontiert wird kann man entweder wegsehen, daran zerbrechen oder Anfangen den Berg an Mist Karren fuer Karren aus dem Haus zu fahren und wenn man Glueck hat, werden irgendwann einmal darauf die schoensten Blumen wachsen. Und dieser Gedanke hat mich dann irgendwie gepushed und mir gut getan. Ich kann dem deutschen Moench nur wirklich alles Gute und Liebe wuenschen, das er findet was er sucht und das er mit sich und seinem Leben ins Reine kommen wird. Fuer mich waere es glaube ich zum jetztigen Zeitpunkt der falsche weg.
Als ich dann gegangen bin, nach all diesen Gedanken und einer unglaublich harten Zeit. Als ich das ruhige Kloster im Wald verlassen hatte, da stand ich dann ploetzlich wieder in der Realitaet. In der Rushhouer einer stinkenden Grossstadt. Neben einer giftigen Blechlawine, laufen ueber schmutzigen, feuchten Boden. Da atmete ich die Luft die nach Abgasen, getrocknetem Fisch und Kacke roch und neben mir sahsen fette, schmutzige Hunde mit schorfiger Haut und lichten Stellen im Fell. Well done Jens, willkommen zurueck in der Realitaet.
"Wirklich entscheidend sind die Spuren der Liebe die wir hinterlassen wenn wir gehen" (Albert Schweizer)